(Jänner 2005 / Juni 2005) Ich baute mir ein einfaches Fadenkreuz-Okular, da die "echten" mit einem Preis zwischen € 150.- und € 350.- für mich zu teuer sind.
Allerdings habe ich nun bei der
Preisrecherche bei TS in München ein
unbeleuchtetes Okular um € 42.- gefunden. Na ja, jetzt ist es
zu spät. Die Nachteile dieses Okulars sind die
fehlende Beleuchtung (mit Licht kostet es auch
€ 125.-) und die geringe Brennweite von 27mm. Ich fand im
Internet viele
Bauanleitungen für Fadenkreuzokulare, allerdings hatte ich mit
den meisten
Vorschlägen kein Glück:
Die Lösung mit einer
runden Plastikscheibe aus einer
transparenten Folie, in der ein Kreuz mit einem Tapetenmesser
eingeritzt und dann
hinter die Linsen eines Okulars geschraubt wird klappte bei mir nicht,
da die
"transparente" Folie zu viel Licht absorbierte. Außerdem wird
durch
die zusätzliche Plastik-Linse die Leistung der Optik des
Okulars drastisch
verschlechtert (wie ein Blick durch eine Milchglasscheibe), so dass man
nur mehr
die hellsten Sterne erahnen kann.
Der Vorschlag eine
dünne Kupferdrahdlitze
(z.B. von einem feinstlitzigen Lautsprecherkabel) Spinnenfäden
(!) oder eine
Haarsträhne der Frau/Freundin/Geliebten auf die Feldblende des
Okulars zu
kleben, scheiterte aus mehreren Gründen:
Das größte Manko war schlicht und
ergreifend die Tatsache, dass entgegen anders lautender Meinung, das
Ende der
Feldblende meines Okulars (12,5mm Huygens vom Tchibo-Torpedo) nicht im
Fokus lag
und daher beim Durchblick der Faden unscharf war und die
Größe einer Pipeline
hatte. Außerdem reflektierte der Kupferlackdraht zu stark und
war zu dick, aus
Mangel einer geeigneten Spinne war kein Faden verfügbar und
meine
Lebensgefährtin ist leider nicht Blond (blonde haben
bekanntlich die dünnsten
Haare).
Nun machte ich mich daran selbst ein Fadenkreuzokular mit Beleuchtung zu entwickeln, das meinen Anforderungen entsprach. (Ich gehe davon aus, dass dies nicht meine exklusive Idee ist, obwohl ich die unten beschriebene Lösung noch nie gesehen habe, aber das Internet ist groß...) Ich gebe in diesem Artikel absichtlich keinerlei Maßangeben, da jeder beim Nachbau die Bauteile an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen muss. Ich könnte natürlich auch behaupten, dass ich keine Zeichnungen besitze :-), daher ist bei diesem Projekt alles "Naturmaß".
(Wenn jemand ein Okular besitzt wo die Feldblende im Fokus ist, der kann den nächsten Punkt überspringen.)
Um den Fokus zu finden,
ließ ich mir von meinem lieben Freund Eduard eine
Kunststoffhülse drehen, die
ich entlang der Feldblende verschieben kann. Wenn nun der Faden scharf
im Okular
zu sehen ist, wird diese Hülse mit Schrauben fixiert. Dazu
später mehr...
Das
Hauptproblem war die Suche eines geeigneten Fadens, ich stieß
durch Zufall auf
die (für mich) optimale Lösung: Ich bin
leidenschaftlicher Wollsockenträger,
als ich in meiner Verzweiflung an meinen Socken zog, hatte ich
plötzlich den
Besten aller Fadenkreuzbauteile buchstäblich in der Hand - die
Wollfaser!
Kupferlackdraht vs. Wollsocken-Faser
Am
Wichtigsten bei einem Fadenkreuzokular (das z.B. zum Einscheinern
benutzt wird)
ist, dass die beiden Fäden exakt rechtwinkelig angeordnet
sind. Das der
Kreuzungspunkt zentrisch ist, ist eher nebensächlich, aber
natürlich auch
erstrebenswert.
Zu diesem Zwecke machte ich mir mit einem Vektor-Malprogramm
(Corel-Draw)
eine Justiervorlage, an der ich die beiden Fäden ausrichten
konnte:
Schablone aus Papier und Kunststoffhülse
Vor dem Ankleben der Fäden wurden noch ein paar Löcher in die Hülse gebohrt, zwei Stück für die Leuchtdiode und zwei für die Befestigung der Hülse, dazu später mehr.
Diese Vorlage wurde so genau wie möglich mit der Schere ausgeschnitten und von unten in die Hülse gesteckt. Man sollte darauf achten, dass die Vorlage soweit wie möglich am anderen Ende der Hülse zu liegen kommt, damit der Parallaxenfehler beim Anbringen der Fäden so gering wie möglich ist.
Nun wählt man einen Faden mit der geeigneten Länge
aus und klemmt in vorab
zwischen die beiden Pinzetten. Dabei prüft man, ob beide
Pinzetten den Faden
halten, da dieser so dünn ist, kann die Klemmung zu schwach
sein. Nach einigen
Versuchen findet man die Ideale Klemmposition. Man kann
natürlich auch
"normale" Pinzetten verwenden, die man mit einem Gummiring zum
Schließen
zwingt, oder man benutzt Kügelchen aus Knetmasse
als
Gegengewichte.
Wichtig ist nur, dass links und rechts am Faden ein kleiner Zug
herrscht der den
Faden straff spannt.) Nun kann man zwei Punkte eines
Zweikomponenten-Klebers an
der Hülse anbringen und den Faden mit den beiden Pinzetten
ausrichten.
Die
Pinzetten sollten nicht am Boden aufliegen, sodass ein leichter Zug am
Faden
entstehen kann der diesen leicht anspannt. Von der Verwendung eines
Sekundenklebers auf Cyanacrylat-Basis würde ich abraten, da
ich bei der ersten
Version des Okulars die Erfahrung gemacht habe, dass die Klebertropfen
6-8
Stunden (!) benötigen um auszuhärten (nur verpresste
Klebeflächen Härten in
sekundenschnelle aus).
Wenn beide Fäden korrekt angebracht sind und der Kleber
hart ist, kann man die überstehenden Enden vorsichtig mit
einem Tapetenmesser
abschneiden.
Zur Beleuchtung des Fadens verwende ich eine rote Miniatur-Leuchtdiode aus meiner Wühlkiste die ich mit einem Potentiometer und einem Vorwiderstand für den Betrieb an 12V Gleichspannung ausgelegt habe:
Die Diode beleuchtet den Faden von unten, bei der ersten Version baute ich sie in einen alten Zenitspiegel ein. Allerdings ist der Einbau in das Okular universeller, da der Zenitspiegel nicht optimal bei einem Newton-Teleskop ist ;-) Die Diode wird in die zwei kleinen Löcher gesteckt, zuvor werden die beiden Beinchen mit Schrumpfschläuchen überzogen. Die Schläuche dienen als Distanzhalter und verhindern durch die blaue Farbe Reflexionen der blanken Beinchen. Dann wird des dünne Kabel durch eine seitliche Bohrung durch das Okular gesteckt und verlötet. Nun wird die Hülse solange entlang der Feldblende verschoben bis der Fokus passt und beim Durchblick durch das Okular der Faden scharf abgebildet wird. Bei meinem "billigsdorfer" Okular werden die Fäden zum Rand hin unscharf... Danach wird die Hülse mit den seitlichen Schrauben fixiert. Leider musste ich auch entlang der Längsachse zwei zusätzliche Schrauben anbringen, da meine Hülse leider zu kurz ist und die seitlichen Schrauben diese aus dem Okular herausdrücken. Nun habe ich sogar eine Justage mit Zug- und Druckschrauben :-) Das Potentiometer mit dem Vorwiderstand findet in einem schicken Gehäuse platz.
Viel Spaß beim Nachbauen!
© 2005 Armin P. Pressler